29.04.2015

Akzeptanz dynamischer als Effizienzmaßnahmen

PK EWI-Ergebnisse 2015

Die Akzeptanz der Energiewende unter den Bürgerinnen und Bürgern der Region wächst schneller als ihre Bereitschaft, in Gebäudedämmung und moderne Heizungsanlagen zu investieren. Zu geringes Budget, Zeitmangel und fehlende Mitsprachemöglichkeiten werden als größte Einschränkungen genannt. Und: Obwohl die Kostenverteilung der Energiewende als ungerecht empfunden wird, herrscht eine überdurchschnittliche Bereitschaft, die Mehrkosten für die Energiewende grundsätzlich mitzutragen. So lässt sich das Stimmungsbild unter 2.200 Bürgerinnen und Bürgern zusammenfassen, die die Klimapartner Oberrhein im Rahmen des Energiewende-Index (EWI) befragt haben.

Mit dem EWI haben die Klimapartner nun zum zweiten Mal nach 2013 das Meinungs- und Geschäftsklima rund um die Energiewende gemessen.Kern der Untersuchung ist die Kombination einer Online-Bürgerumfrage mit der umfangreichen Erhebung von amtlichen statistischen Daten zum Fortschritt der Energiewende. Beide Messungen münden in einen fünfteiligen Index, der 2015 leicht positiv gegenüber 2013 ausfällt.
An der Umfrage, die die Klimapartner von Oktober 2014 bis Februar 2015 durchgeführt haben, nahmen rund 2.200 Personen teil. Deren grundsätzliche Zustimmung zur Energiewende ist – ähnlich wie bei der Nullmessung 2013 – eindeutig messbar und ist gegenüber 2013 nochmals gestiegen. Nutzen und Akzeptanz der Energiewende werden von den Befragten im Allgemeinen noch höher eingeschätzt als 2013 (von 5,2 auf 6 auf einer 7er-Skala*). Dies gilt auch und vor allem für die Akzeptanz von Anlagen, die in der eigenen Gemeinde stehen: Im Rahmen der Untersuchung konnte festgestellt werden, dass eine starke Korrelation der Akzeptanz unter den Bürgern mit dem Ausbaustand der erneuerbaren Energieträger vor Ort besteht. Dort, wo der Ausbau zunimmt, ist ein Anstieg der Akzeptanz und des empfundenen Nutzens messbar.
Tatsächlich ist die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (Strommenge pro Jahr und Einwohner) gegenüber der Messung 2013 - trotz der jüngsten Stagnation vor allem im Photovoltaikbereich – nochmals leicht angestiegen. Gemessen wurden seit 2013 zudem ein Zuwachs der ausgeschütteten EEG-Vergütung sowie die Steigerung des regenerativen Anteils am gesamten Strommix. Vor allem die Stromerzeugung aus Biomasse, Photovoltaik und Wind hat den leichten Zuwachs gegenüber 2013 getragen. Die Arbeitsmarkteffekte aus Betrieb und Wartung der EE-Anlagen sind gegenüber 2013 rückläufig bzw. gleichbleibend (Landkreise Ortenau und Lörrach).
Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer: „Die Energiewende beginnt im Kopf und braucht die Akteure vor Ort. Deshalb freue ich mich über die positiven Ergebnisse beim Energiewende-Index. Sie zeigen: Die Menschen hier in der Region tragen die Energiewende mit großer Motivation mit und engagieren sich vorbildlich. Wir sind also auf dem richtigen Weg! Jetzt ist es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin mitzunehmen. Als Präsidentin der Klimapartner Oberrhein nehme ich die zahlreichen Rückmeldungen daher auch als Auftrag für unser weiteres Handeln mit."

PV und Wasserkraft liegen bei der Akzeptanz vorn

Ein starker Fokus wurde in der Befragung auf die Akzeptanz von Anlagen gelegt, die in den Wohnorten der Befragten Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugen: die größte Akzeptanz zeigen die Befragten gegenüber Photovoltaik (5,6*) und Wasserkraftanlagen (6) – etwas abgeschlagen aber immer noch mehrheitlich positiv bewertet sind Biomasse (4,5) und Windkraftanlagen (5,1). Geothermieanlagen wollen die meisten Teilnehmer nicht in ihrer Gemeinde haben (3,6). Das Gros der Umfrageteilnehmer gab bei der Beurteilung einzelner Energieträger auch an, dass ihnen ein hoher Anteil lokal erzeugter Windenergie wichtiger sei als ein Landschaftsbild ohne Erzeugungsanlagen (5,1).
Noch weniger Teilnehmer als in der Voruntersuchung 2013 sprechen sich für Kohle- oder Atomkraftwerke aus (von knapp 2 auf 1,6 bzw. 1,4). Selbst unter der Annahme, dass dadurch die Strompreise sinken, sprechen sich die wenigsten Teilnehmer dafür aus, den Atomausstieg wieder rückgängig zu machen (1,9).

Kostenverteilung wird als ungerecht wahrgenommen

Die Kosten der Energiewende wurden in der aktuellen EWI-Messung anlässlich der öffentlichen Diskussion um dieses Thema wesentlich stärker als noch 2013 in den Fokus der Untersuchung genommen: Zwar empfindet ein Teil der Umfrageteilnehmer die Energiewende als zu teuer (3,6), mehrheitlich sind sie aber dazu bereit, die Kosten der Energiewende mitzutragen (4,8). Trotz der großen Bereitschaft beurteilen die meisten Umfrageteilnehmer die Kostenverteilung jedoch als nicht gerecht (3,0). Wenig Einfluss hat dies auf die Kaufentscheidung der Teilnehmer: die Meisten bekundeten ihre Bereitschaft, für lokal aus regenerativ Energien erzeugten Strom einen Mehrpreis zu bezahlen (5,1).
Badenova-Vorstand und Klimapartner-Vorsitzender Thorsten Radensleben: „Die Ergebnisse des EWI zeigen deutlich, dass die Menschen in der Region nach wie vor hinter den Zielen der Energiewende stehen, auch wenn der Begriff als solcher durch die zum Teil ideologisch geführte Diskussion bei vielen mittlerweile negativ besetzt ist.“
Messbar ist gegenüber 2013 zudem ein stärkerer Einfluss der Energiewende auf die Lebensqualität (von 4,5 auf knapp 5). Grundsätzlich ist diese in der Region vor allem im Landes- und Bundesvergleich überdurchschnittlich ausgeprägt und entsprechend von fast allen Umfrageteilnehmern durchweg positiv bewertet worden. Trotzdem nennen viele Befragte das AKW Fessenheim, Lärm und Verkehr als Einschränkung ihrer Lebensqualität.

Handlungsbedarf bei energetischer Modernisierung

Langsamer als die grundsätzliche Akzeptanz der Energiewende ist die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger gewachsen, staatliche Förderung für Investitionen in die energetische Modernisierung der eigenen Immobilie zu beanspruchen. Im Vergleich zur Voruntersuchung wurde in den Landkreisen weniger auf die KfW-Förderung für die Sanierung privater Gebäude zugegriffen (minus 18%). Einerseits muss hierbei die ersatzweise Beschaffung von Krediten auf dem privaten Geldmarkt in Erwägung gezogen werden, andererseits wird fehlendes Budget (35%) am häufigsten genannt, wenn es um Hinderungsgründe geht, stärker in Energieeffizienz zu investieren. Auch Zeitmangel (34%) sowie mangelnde Mitsprachemöglichkeiten (32%) werden am häufigsten genannt. Technische Gründe, das Alter der Befragten, mangelnde Überzeugung oder Interesse sowie fehlende oder falsche Informationen wurden weitaus seltener bzw. fast gar nicht geäußert. Die Frage nach aktuellen Investitionsabsichten der Umfrageteilnehmer unterstreicht dies: die Anzahl derjenigen Haushalte, die aktuell Investitionen in eine energieeffiziente Heizung, in die Sanierung des Gebäudes oder eine PV-Anlage beabsichtigen, ist gegenüber 2013 leicht gesunken (um 4%).
In drei Landkreisen stagniert zudem der Zugriff auf staatliche Fördermaßnahmen für Wärmeerzeugungsanlagen über das bundesweite Förderprogramm MAP (Marktanreizprogramm) vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das damit Heizungsanlagen fördert, die auf Biomasse, Solar- oder Geothermie basieren. Ähnlich sieht es bei den Umwelt- und Energieeffizienzprogrammen der KfW für Stromerzeugungsanlagen, Umweltschutzmaßnahmen, Innovationsprogramme und Wärmenetze im gewerblichen Bereich aus.
„Die jetzige Studie hat das bestätigt, was viele private, gewerbliche und industrielle Marktteilnehmer als diffuse Stimmungslage bereits seit Längerem wahrnehmen“, so Thorsten Radensleben. „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die vielen Bedenken, die vor allem im Bereich der Gebäudesanierung vorgebracht werden, sorgen für ein allgemeines Klima der Verunsicherung unter den Investitionswilligen. Hier sind alle Anbieter – egal welcher Branche - aufgefordert, mit Aufklärungsarbeit und geeigneten Lösungsansätzen Wege aufzuzeigen, die diese Stimmungslage umdrehen. Andernfalls wird das Projekt Energiewende sehr viel mehr Zeit in Anspruch nehmen.“

Die ausführlichen Ergebnisbände sowie Details zu Methodik und Untersuchungsdesign gibt es hier.